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Interviews     24.08.2007
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Pöttering: Deutsche Geisel freilassen
cl/AP Osnabrück/Kabul.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), hat an die afghanischen Geiselnehmer von Rudolf Blechschmidt appelliert, Menschlichkeit walten zu lassen und den 62-jährigen Bauingenieur sofort freizulassen.

In einem Gespräch mit unserer Zeitung wandte sich Pöttering direkt an die Entführer: „Rudolf Blechschmidt ist als ein Freund der Afghanen in Ihr Land gekommen, um nach Jahrzehnten des Krieges dabei zu helfen, Straßen, Brücken und Häuser wieder aufzubauen. Daher appelliere ich an Ihre Ehre und an Ihr Gewissen, den erkrankten Ingenieur wieder zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehren zu lassen.“

Der Präsident des Europäischen Parlaments betonte, Rudolf Blechschmidt sei „kein Feind des Islam, sondern ein Mann, der vielen Muslimen in seinem Leben bereits geholfen hat, auch in den Paschtunen-Gebieten im Süden Afghanistans“.

Von dem vor mehr als einem Monat in Afghanistan entführten Blechschmidt war ein erneutes Geisel-Video aufgetaucht. Darin macht der 62-Jährige einen sehr geschwächten Eindruck. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte gestern, der Krisenstab werte das Video sorgfältig aus. Er bemühe sich weiterhin sehr intensiv um die Freilassung der Geisel.

In dem Video, das von dem privaten afghanischen Sender Tolo TV ausgestrahlt wurde, erklärt Blechschmidt: „Ich bin ein Gefangener der Taliban. Wir leben in den Bergen.“ Die Bedingungen seien sehr schlecht. „Bitte helft uns“, appelliert der Ingenieur, der auf einer schwarzen Decke liegt, sich auf die Brust klopft und wiederholt hustet. In drei Tagen gehe seine Medizin zur Neige. Die Zeit werde knapp.

Blechschmidt erklärt in dem Video, die Taliban versuchten mit der afghanischen Regierung zu verhandeln, was diese aber ablehne. Die Taliban versuchten auch Kontakt mit der deutschen Botschaft aufzunehmen. Die Zeit sei aber bald abgelaufen, und dann wollten die Taliban ihn und andere mit ihm verschleppte Afghanen umbringen.

Der Ingenieur war zusammen mit dem Kollegen Rüdiger Diedrich am 18. Juli in der Provinz Wardak verschleppt worden. Diedrich hatte später in der Gefangenschaft einen Schwächeanfall erlitten und war erschossen worden. Am 19. Juli entführten die Taliban 23 Südkoreaner. Zwei von ihnen wurden später erschossen, zwei wurden freigelassen. Der Rest wird immer noch festgehalten.

Mit einem ökumenischen Gottesdienst nahm unterdessen die baden-württembergische Polizei in Karlsruhe Abschied von einem der drei bei einem Anschlag in Afghanistan getöteten Beamten. Landespolizeipräsident Erwin Hetger sagte, der 39 Jahre alte Beamte und seine Kollegen seien Opfer eines heimtückischen Anschlags in der afghanischen Hauptstadt geworden.

Der Polizeichef der Provinz Helmand entging nur knapp einem Anschlag. Bei der Explosion starben drei Zivilisten. Zehn Menschen wurden bei einem Überfall von 250 Taliban-Kämpfern auf einen Konvoi zur Versorgung von NATO-Truppen getötet. Bei einem weiteren Bombenanschlag kamen zwei kanadische Soldaten und ein afghanischer Dolmetscher ums Leben. Das afghanische Verteidigungsministerium teilte mit, bei Gefechten in verschiedenen Teilen des Landes seien zwölf Taliban getötet worden.